Da stand er nun vor den Ruinen seiner Arbeit.
Jahre, die er in den Aufbau einer Infrastruktur der Hoffnung gesteckt hatte, waren dahin. Das Erdbeben, das groĂe Teile des Landes völlig verwĂŒstet hatte, hatte auch ihn, der zu dem Zeitpunkt Tausende Kilometer entfernt gewesen war, zutiefst erschĂŒttert. Man sagte, dass es eine der schlimmsten Erfahrungen sei, die ein Menschen erleben konnte: den Boden unter den FĂŒĂen zu verlieren. Er war nicht anwesend gewesen, als es passierte. Aber der rettende Boden, der war ab jenem Zeitpunkt auch fĂŒr ihn in weite Ferne gerĂŒckt gewesen.
Und so hatte er sich eine Weile treiben lassen. Hatte Zuflucht, hatte Heimat gesucht in Orten, Menschen, Substanzen, und nur manchmal auch gefunden. Hatte mit dem Boden auch sich selbst verloren geglaubt.
Bis er einige Zeit spĂ€ter wieder jenen Boden betrat, der ihm einst Sinn eröffnet hatte. Die Erde hatte sich beruhigt, wie auch sein Innerstes wieder mehr zur Ruhe gekommen war. Es war etwas Besonderes an diesem Ort zu finden, das ihn nun erneut zu sich rief. Etwas, das er beinahe verloren geglaubt hatte, zerstört im Chaos der bebenden Erde. Und nun, Jahre spĂ€ter, konnte er erneut erahnen, warum er sich damals auf den Weg hierher gemacht hatte. Vieles war in dem Beben zerstört worden, aber dies waren nur Ă€uĂere, vergĂ€ngliche Formen gewesen. Etwas Tieferes, Wichtigeres, Ewiges war geblieben.
Die Menschen hier hatten nach den heimatlichen Standards nichts. Und doch waren sie glĂŒcklich.
Das hatte er vor vielen Jahren dem JĂŒngeren erzĂ€hlt gehabt, der seinerseits seiner Wege ging, das Amulett wie die FĂŒhrung des Ălteren nah an seinem Herzen. Sie sahen sich nur noch selten. Und doch war auch hier eine Resonanz spĂŒrbar, ein Beben, das Worte transzendierte.
Die Menschen dort, nach all der Zerstörung, die waren immer noch so glĂŒcklich, erzĂ€hlte er nun dem JĂŒngeren, der sich lĂ€chelnd an die damaligen Worte des Ălteren erinnerte. Und sie haben sich an mich erinnert, auch als von der Arbeit meiner HĂ€nde nichts mehr ĂŒbrig war.
Der JĂŒngere schwieg, weil seine Worte nur ungenĂŒgend ausdrĂŒcken konnten, was er als Wahrheit in sich erspĂŒrte: Weil diese Menschen, die dich so faszinieren, weise sind. Sie wissen, dass alles Geschaffene wieder vergehen wird, und hĂ€ngen daher ihr GlĂŒck nicht an VergĂ€ngliches. Wer nie vergisst, dass nichts selbstverstĂ€ndlich ist, freut sich ĂŒber jede kleine Annehmlichkeit, und trauert keinem Verlust allzu lange hinterher. Sie erinnern sich nicht an dich, weil sie jetzt die Infrastruktur, die du aufgebaut hattest, nutzen können (die durch das Erdbeben zerstört wurde, was zeigt, wie vergĂ€nglich sie war). Sie erinnern sich nicht an das Ergebnis deiner Arbeit, sondern daran, dass du ihnen mit deiner Arbeit dienen wolltest. Du dienst ihnen nicht, wenn du dein eigenes GlĂŒck oder deinen eigenen Selbstwert daran hĂ€ngst, was mit dem Ergebnis deiner Arbeit geschieht. Du dienst ihnen, wenn du ihnen dienst, und damit deine Liebe ausdrĂŒckst.
Um all dies klar und unmissverstĂ€ndlich auszudrĂŒcken, fehlten dem JĂŒngeren die Worte, fehlten ihm die notwendige Weisheit. Aber es gab andere Worte in ihm, die nach Ausdruck verlangten.
âDu hast mich auf meinen Weg gebrachtâ, sagte er zum Ălteren. âDu bist einer von vielleicht drei Menschen, die mich in meinem Leben am meisten geprĂ€gt haben.â
âDu hast mir geholfen, auf meinem Weg zu bleiben, und zurĂŒckzufinden, wenn ich ihn verloren habeâ, sagte der Ăltere zum JĂŒngeren.
Und dann umarmten sie sich und schwiegen, weil es nichts mehr zu sagen gab, das nach Worten verlangte.
Das Amulett hatte er lÀngst verloren. Es war nicht mehr notwendig.
Auch so spĂŒrten sie die starke Resonanz zweier Herzen, die GefĂ€hrten geworden waren, auf Wegen, die sich in ihren Verstrickungen unterscheiden mochten, aber im Endeffekt doch demselben Ziel zustrebten.
Welchem? Das erschien weniger wichtig, als den Weg zurĂŒckzulegen, der sich stimmig anfĂŒhlte, und sich gegenseitig dabei zu unterstĂŒtzen, den jeweils nĂ€chsten notwendigen Schritt zu setzen.
Waren nicht, im Endeffekt, genau dafĂŒr wahre Freunde da?